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AutorenbildSascha Nachtnebel

Die Drei Hauptpfade: Eine transformative Reise zu Frieden & Weisheit

Aktualisiert: 20. Nov.


Die „Drei Hauptpfade“ sind keine Wanderwege oder abstrakte Ideen, sondern praktische Ansätze, die unser Leben in allen Bereichen tiefgreifend verändern können. Sie helfen uns, Klarheit zu gewinnen, Mitgefühl zu vertiefen und die wahre Natur der Realität zu erkennen.


Die Lehren von Je Tsongkapa, einem der einflussreichsten buddhistischen Gelehrten, bieten einen klaren, inspirierenden Weg zur inneren Freiheit und zum Erwachen.


Im buddhistischen Training bilden die drei Hauptpfade – auch als „Lam-tso nam-sum“ (Tib.: :ལམ་རྩོད་རྣམ་གསུམ་) bekannt – den zentralen Leitfaden zur Erleuchtung. Diese Pfade führen Praktizierende durch eine systematische Entwicklung von Weisheit, Mitgefühl und Entschlossenheit.


Mit seinen Versen enthüllt Tsongkapa den Kern des buddhistischen Weges und macht die Weisheit zugänglich für jeden, der den Pfad beschreiten will. Die drei Pfade – Entsagung, Bodhichitta und Weisheit – sind als innere Haltungen zu verstehen, die uns zu Nirvana und schließlich zur Erleuchtung führen sollen.

Die Integration dieser drei Pfade ist sowohl eine praktische als auch eine philosophische Reise. Jeder Pfad bietet uns die Möglichkeit, unser tägliches Leben neu zu gestalten und den Weg zu einem tieferen Verständnis der Realität zu ebnen.


Tsongkapa: Ein Meister der Klarheit


Tsongkapa war der größte Kommentator der buddhistischen Geschichte. In seinen Schriften, die rund 10.000 Seiten umfassen, beleuchtete er das gesamte Spektrum der buddhistischen Lehren mit beeindruckender Tiefe. Doch sein wohl größtes Werk ist ein Gedicht: Die „Drei Hauptpfade“. In nur 14 Versen fasste er die Essenz des gesamten Buddhismus zusammen – ein Geschenk an einen Schüler, der weit entfernt lebte.


Die drei Hauptpfade: Ein Kompass zur Erleuchtung


Dieses Gedicht beschreibt drei zentrale Haltungen, die jede*r Praktizierende entwickeln muss:


  1. Entsagung (Tib.: ངེས་འབྱུང་།, Nges-jung / Skt.: vairagya): Die klare Erkenntnis, dass weltliche Vergnügungen keine dauerhafte Zufriedenheit bringen.


  2. Bodhichitta (Tib.: བྱང་ཆུབ་སེམས།, Jang-chub Sem, Skt.: bodhicitta): Der Wunsch, zum Wohl aller Wesen Erleuchtung zu erlangen.


  3. Die korrekte Sicht der Leerheit (Tib.: སྟོང་པ་ཉིད།, Tongpa Nyi / Skt.: śūnyatā): Die Erkenntnis, dass nichts unabhängig existiert.


In diesem Artikel möchte ich nach einem sehr erhellenden Seminar bei Lharampa Tenzin Kalden auf diese wesentlichen Grundlagen des Buddhismus eingehen, die als Basis für das Studium der tiefergehenden Weisheiten dienen.


1. Entsagung: „Ich bin es leid!“

Entsagung wird oft missverstanden als Ablehnung von weltlichem Wohlstand oder Vergnügen. Doch Je Tsongkapa lehrt uns, dass es vielmehr darum geht, tief in uns die Erkenntnis zu tragen: „Ich habe genug von Leiden und den endlosen Zyklen der Unzufriedenheit.“


Es ist eine radikale Ehrlichkeit mit uns selbst. Was wir wollen, ist Freiheit – nicht von äußerem Besitz, sondern von den inneren Fesseln, die uns immer wieder zurückhalten.


Entsagung bedeutet, die Täuschung aufzugeben, dass äußere Dinge uns dauerhaftes Glück bringen. Oft sind es die kleinen Momente, die uns wachrütteln.


Stell dir vor, du hast dir monatelang eine Designertasche gewünscht. Endlich kaufst du sie, und für eine Weile fühlst du dich großartig. Doch schon nach einigen Wochen liegt sie wie jede andere Tasche in der Ecke. Die Freude verblasst.


Das Ende der Illusion von Glück


Entsagung bedeutet nicht, ein asketisches Leben zu führen. Es ist vielmehr die Entscheidung, unser Leben sinnvoll zu gestalten und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren.


Wenn wir diese innere Haltung entwickeln, setzen wir einen kraftvollen Impuls in Gang, der uns hilft, unser wahres Potenzial zu entfalten.


„Entsagung bedeutet, zu erkennen, dass das wahre Glück nicht außerhalb von uns liegt.“ – Geshe Michael Roach

Das tibetische Wort für Entsagung ist „nges 'byung“ (gesprochen: nge-jung), was wörtlich „etwas, das aufgibt und entkommt“ bedeutet. Es verweist auf das Gefühl, von weltlichen Zielen desillusioniert zu sein. Im Sanskrit wird Entsagung mit „vairagya“ übersetzt, was „Loslösung“ oder „Freiheit von Verhaftung“ bedeutet.


Die Grundlagen der Entsagung vertiefen


Die Lehren von Pabongka Rinpoche vertiefen die Perspektive der Entsagung. Er beschreibt drei Arten des Leidens, die uns zur Reflexion anregen:


  1. Offensichtliches Leiden: Physische Schmerzen und offensichtliche Probleme. Tibetisch: སྡུག་བསྔལ་ཀྱི་སྡུག་བསྔལ་ (dukngäl kyi dukngäl), Sanskrit: दुःखदुःख (duḥkha-duḥkha)

    Dies ist das offensichtliche Leiden, das körperliche und mentale Schmerzen umfasst.


    Beispiel: Du schneidest dir in den Finger, und der Schmerz ist sofort und direkt spürbar. Auch Verluste, Krankheiten oder emotionale Schmerzen wie Trauer gehören dazu.


  2. Leiden der Veränderung: Die Vergänglichkeit von Freude und Vergnügen.

    Tibetisch: འགྱུར་བའི་སྡུག་བསྔལ་ (gyurwé dukngäl), Sanskrit: परिवर्तनदुःख (pariṇāma-duḥkha)


    Dieses Leiden entsteht, weil angenehme Dinge nicht dauerhaft sind. Was Vergnügen bereitet, wird irgendwann unangenehm oder endet.


    Beispiel: Du kaufst dir schöne, neue Schuhe und freust dich sehr, nach eine Weile sind sie abgenutzt und schmutzig und du ärgerst dich darüber, dass sie sich verändert haben.


  3. Allgegenwärtiges Leiden: Die grundlegende Unsicherheit und Unbeständigkeit des Daseins. Tibetisch: ཆོས་ཀྱི་སྡུག་བསྔལ་ (chö kyi dukngäl), Sanskrit: संस्कारदुःख (saṃskāra-duḥkha)


    Dies bezieht sich auf das grundlegende Leiden, das durch das Daseinskreuz (Samsara) selbst entsteht, weil es von Unbeständigkeit und Unzufriedenheit geprägt ist. Wir sprechen hier auch von "Weltschmerz" oder vom allesdurchdringenden Leid.


    Beispiel: Du wachst morgens auf, fühlst dich erschöpft und bist gefangen im Kreislauf von Arbeit, Stress und den unaufhörlichen Anforderungen des Alltags, ohne zu merken, dass dies Ausdruck von Samsara ist.


Pabongka betont, dass Entsagung nicht bedeutet, sich von der Welt abzuwenden, sondern sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: die Überwindung des Leidens.


Du entscheidest dich, nicht mehr bei diesem sinnlosen Spiel von mehr und mehr Konsum mitzumachen. Kein Wettbewerb um Haus, Auto, Boot. Noch ein Haus, ein besseres Auto, noch ein paar Schuhe, noch ein technisches Gerät, noch ein besserer Job...



Geshe Michael erzählt in seinem Kurs von einer Frau, die jahrelang ein perfektes Haus bauen wollte. Alles musste stimmen: die Größe, die Lage, die Einrichtung. Als es endlich fertig war, empfand sie für kurze Zeit Stolz und Freude.


Doch bald begann sie, nach Mängeln zu suchen und findet sie auch überall. „Es ist niemals das Haus“, erklärte Geshe Michael, „sondern die falsche Erwartung, dass es dich glücklich machen wird.“


Der verlorene Koffer


In der zweiten Klasse seines Kurses zu den Grundlagen des Buddhismus erzählt Geshe Michael von einer Teilnehmerin, die ihr Leben lang auf eine Weltreise gespart hatte.


Am ersten Tag ihrer Reise ging ihr Koffer verloren, und sie fühlte sich niedergeschlagen. Doch nach einigen Tagen erkannte sie, dass sie die Reise dennoch genießen konnte – die Sehenswürdigkeiten, die Menschen und die Erlebnisse waren nicht an ihren Besitz gebunden. „Das Leben bietet dir immer Freude, wenn du loslässt“.


Beispiele aus dem Alltag


Familie: Du planst den perfekten Familienurlaub in einem teuren Resort. Doch kaum angekommen, streiten die Kinder, und dein Partner beschwert sich über das Essen. Du erkennst, dass äußere Umstände keine Garantie für Harmonie sind.


Partnerschaft: Dein Partner schenkt dir eine luxuriöse Uhr, doch am nächsten Tag habt ihr Streit, und die Uhr verliert ihren Reiz. Wahres Glück kommt nicht von Dingen, sondern von der Qualität eurer Verbindung.


Job: Ein Beförderungstraum wird wahr. Doch statt Zufriedenheit spürst du bald den Stress der neuen Verantwortung. Der Moment zeigt dir, dass äußere Erfolge vergänglich sind.


Straßenverkehr: Du kaufst ein neues Auto, um den täglichen Stau angenehmer zu machen. Nach einem Monat ist der Stau noch immer da, und das Auto ist nur ein Transportmittel.


Warum Entsagung so befreiend ist


Die Praxis der Entsagung ermöglicht es uns, unseren Fokus von äußeren Dingen auf innere Stabilität zu lenken. Es ist eine sanfte, aber kraftvolle Umkehrung, die uns echte Freiheit schenkt.


„Wahrer Wohlstand liegt nicht in Dingen, sondern in einem Geist, der frei ist von Verlangen.“ – Geshe Michael Roach

Praktische Tipps zur Anwendung


  • Reflektiere regelmäßig über die Vergänglichkeit von Dingen: Schreibe in einem Tagebuch auf, wie sich deine Freude an materiellen Errungenschaften über die Zeit verändert hat. Erkenne, dass äußere Dinge keine dauerhafte Zufriedenheit bringen.


  • Minimalisiere bewusst: Gehe einen Monat lang jeden Tag durch einen Bereich deines Lebens (Schrank, Küche, digitale Geräte) und frage dich: „Brauche ich das wirklich, um glücklich zu sein?“


  • Übe Dankbarkeit: Notiere jeden Tag drei Dinge, die dich glücklich machen, aber nicht von äußeren Umständen abhängen – z. B. deine Gesundheit oder ein friedlicher Moment.


  • Meditation auf Vergänglichkeit: Setze dich jeden Abend hin und denke über die Vergänglichkeit des Tages nach: „Welche Dinge, auf die ich mich heute verlassen habe, werden morgen vielleicht nicht mehr da sein?“



 
2. Bodhichitta: Der Wunsch nach Erleuchtung

Bodhichitta, der Wunsch, anderen zu helfen, ist das Herz der buddhistischen Praxis. Stell dir vor, du stehst im Stau, und jemand schneidet dich abrupt. Statt wütend zu reagieren, erinnerst du dich daran, dass dieser Mensch vielleicht eilig unterwegs ist, um einen geliebten Menschen zu erreichen. Diese Haltung des Mitgefühls verändert dein Erleben radikal.

Nach der Erkenntnis, dass wir selbst nicht länger in den Zyklen des Leidens verharren wollen, erweitert sich unser Blick. Wir erkennen, dass unser persönliches Leiden nicht isoliert ist, sondern Teil eines größeren Geflechts.


Mitgefühl als Lebenshaltung


Hier kommt Bodhicitta ins Spiel: der altruistische Wunsch, Erleuchtung nicht nur für uns selbst, sondern für alle fühlenden Wesen zu erlangen.


Bodhicitta ist die natürliche Fortführung der Entsagung. Wir richten unseren inneren Wandel nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf das Wohl anderer. Es ist, als würde unser Herz weiter werden, sodass es mehr umfasst – unsere Familie, Freunde, Fremde und sogar jene, die uns herausfordern.


„Bodhichitta ist die größte Kraft des Universums – sie verwandelt jeden Schmerz in Mitgefühl.“ – Geshe Michael Roach




Das tibetische Wort für Bodhichitta ist „byang chub sems“ (gesprochen: jang tschub sem), was wörtlich „Geist des Erwachens“ bedeutet. Im Sanskrit setzt sich der Begriff aus „bodhi“ (Erleuchtung) und „citta“ (Geist) zusammen.


Die Lektion der Spinne


Geshe Michael erzählt von einem Mann, der während eines Retreats eine Spinne beobachtete, die ihr Netz baute. Eines Tages zerstörte er es versehentlich.


Als er sah, wie sie mühsam ein neues Netz baute, wurde ihm klar: Jedes Wesen kämpft für sein Überleben. Mitgefühl ist der Schlüssel, um die Welt mit anderen Augen zu sehen.


Der Schlüssel zur Bodhichitta-Entwicklung


Pabongka Rinpoche erklärt, dass Bodhichitta durch eine bewusste Schulung des Geistes entsteht, nicht spontan.


Die sieben Schritte zu Bodhichitta sind eine transformative Methode, die unser Mitgefühl von einer abstrakten Idee in gelebte Praxis verwandelt. Indem wir sie täglich üben, öffnen wir unser Herz und schaffen eine tiefere Verbindung zu allen Wesen.


  1. Alle Wesen als Mütter sehen

    Erkenne, dass alle fühlenden Wesen dir in früheren Leben geholfen haben, so wie eine Mutter ihr Kind umsorgt. Dieser Gedanke erzeugt eine tiefe Verbindung und Dankbarkeit. Beispiel: Du begegnest einem unfreundlichen Nachbarn. Anstatt ihn abzulehnen, denkst du daran, dass er in einem früheren Leben vielleicht für dich gesorgt hat.


  2. Dankbarkeit entwickeln

    Werde dir bewusst, wie viel du allen Wesen verdankst. Von der Luft, die du atmest, bis zur Nahrung, die du isst – alles ist das Resultat unzähliger Bemühungen anderer. Beispiel: Beim Frühstück denkst du an die Bauern, die dein Essen angebaut haben, und spürst tiefe Dankbarkeit.


  3. Mitgefühl kultivieren

    Wünsch dir, dass alle Wesen frei von Leid sind. Dieses Mitgefühl öffnet dein Herz und stärkt deine Fähigkeit, anderen zu helfen. Beispiel: Dein Kind hat einen schlechten Tag. Statt genervt zu reagieren, fragst du dich: „Wie kann ich ihm helfen, sich besser zu fühlen?“


  4. Liebe entwickeln

    Wünsch dir, dass alle Wesen wahres Glück finden. Diese Liebe entsteht aus der Erkenntnis, dass Glück das höchste Ziel jedes Wesens ist. Beispiel: Ein Kollege kämpft mit einer schwierigen Aufgabe. Du bietest ihm Unterstützung an, um ihm den Weg zu erleichtern.


  5. Mitfühlende Tatkraft

    Handle aus deinem Mitgefühl heraus. Nimm die Verantwortung an, das Leid anderer zu lindern, und setze dies in konkrete Handlungen um. Beispiel: Du siehst jemanden im Bus ohne Sitzplatz. Du bietest deinen Sitzplatz an, ohne zu zögern.


  6. Verantwortung übernehmen

    Übernimm die Verantwortung für das Wohlergehen anderer, indem du dein eigenes Handeln hinterfragst und gezielt positive Samen pflanzt. Beispiel: Du bemerkst, dass du in Stresssituationen oft gereizt reagierst. Stattdessen entscheidest du dich, Ruhe und Verständnis zu zeigen.


  7. Der Wunsch nach Erleuchtung

    Strebe nach Erleuchtung, um anderen besser helfen zu können. Dieser Wunsch gibt deinem Leben eine klare Ausrichtung und verstärkt deine Motivation. Beispiel: Du setzt dir das Ziel, täglich zu meditieren, um mehr Geduld und Mitgefühl zu entwickeln.


Praktische Übung: Nimm dir jeden Morgen fünf Minuten, um über diese Stufen zu meditieren. Visualisiere dabei Menschen aus deinem Alltag – von nahestehenden Personen bis zu Fremden.



Beispiele aus dem Alltag


Familie: Dein Kind hat einen schlechten Tag und schreit dich an. Anstatt zurückzuschreien, setzt du dich zu ihm und fragst, was es braucht. Deine Geduld heilt die Situation.


Partnerschaft: Dein Partner ist gestresst und reagiert gereizt. Statt dich zu verteidigen, bringst du ihm eine Tasse Tee und hörst zu. Diese Geste des Mitgefühls verändert die Atmosphäre.

Job: Ein Kollege ist unfreundlich. Statt dich über seine Haltung zu ärgern, fragst du dich, ob er vielleicht unter Druck steht, und bietest ihm Hilfe an.

Nachbarschaft: Dein Nachbar blockiert deine Einfahrt. Du denkst: „Auch er möchte nur einen Platz in dieser Welt finden.“ Dein Verständnis vermeidet einen Konflikt.


Praktische Tipps zur Anwendung


  • Starte mit kleinen Gesten: Beginne deinen Tag mit der Absicht, eine kleine freundliche Tat zu vollbringen, wie jemandem die Tür aufzuhalten oder ein freundliches Wort zu sagen.


  • Übe dich in Empathie: Wenn du frustriert bist, stelle dir vor, was die andere Person gerade durchmacht. Denke: „Was könnte ihr Schmerz oder ihre Angst sein?“


  • Atemübung für Mitgefühl: Übe die Tonglen-Meditation: Atme den Schmerz eines anderen Menschen ein (symbolisch) und atme Liebe und Heilung aus. Siehe: die Tonglen Meditation


  • Setze dir Mitgefühls-Ziele: Schreibe dir eine Liste von drei Personen, mit denen du geduldiger und mitfühlender sein möchtest. Arbeite eine Woche lang gezielt daran, ihnen gegenüber liebevoller zu reagieren.


  • Dankbarkeit für alle Wesen: Denke daran, wie viele Menschen und Tiere zu deinem Leben beitragen – vom Bauern, der dein Essen anbaut, bis zur Biene, die Blüten bestäubt. Nutze dieses Gefühl, um mehr Mitgefühl zu entwickeln.

„Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Und die beste Reise ist die, die zu deinem eigenen Herzen führt.“ 


 
3. Die korrekte Sicht der Leerheit: Alles hängt von dir ab

Je Tsongkapa lehrt, dass nichts unabhängig existiert – alles, was wir erleben, hängt von unseren inneren, karmischen Samen ab.


Stell dir vor, du kommst nach einem langen Tag nach Hause, und dein Partner begrüßt dich mit einem Vorwurf: „Warum bist du so spät?“ Sofort fühlst du dich ungerecht behandelt. Doch wenn du tiefer schaust, erkennst du, dass diese Erfahrung aus Samen stammt, die du selbst gepflanzt hast.



Die Illusion erkennen


Die korrekte Sicht der Leerheit lehrt uns, dass nichts unabhängig existiert. Jeder Moment, den wir erleben, ist das Ergebnis von Samen, die wir in der Vergangenheit gesät haben.


Während Entsagung und Bodhicitta die Grundlage bilden, braucht es Weisheit, um tatsächlich die tiefste Wahrheit der Realität zu erfassen.


Diese Weisheit bezieht sich auf das direkte Erkennen der Leerheit – das Verständnis, dass nichts von sich aus existiert, sondern dass alle Phänomene durch Ursache, Wirkung und gegenseitige Abhängigkeit entstehen.


Die Leerheit ist nicht bloß ein philosophisches Konzept. Sie ist der Schlüssel, um das Fundament unseres Leidens zu erkennen und aufzulösen. Wenn wir Leerheit verstehen und erleben, können wir sehen, dass unsere Ängste, Anhaftungen und Vorurteile lediglich Projektionen sind.



„Nichts existiert von selbst. Alles ist ein Spiegel deiner inneren Welt.“ – Geshe Michael Roach

Das tibetische Wort für Leerheit ist „stong pa nyid“ (gesprochen: tongpa nyi), wörtlich „Natur der Realität (Leerheit)“. Im Sanskrit wird es als „śūnyatā“ (Shunyata) übersetzt. Diese Weisheit bezieht sich auf das direkte Erkennen der Leerheit – das Verständnis, dass nichts von sich aus existiert, sondern dass alle Phänomene durch Ursache, Wirkung und gegenseitige Abhängigkeit entstehen.


Die Praxis der Leerheit im Alltag


Pabongka Rinpoche betont, dass die Meditation über Leerheit nicht auf das Meditationskissen beschränkt sein darf. Sie muss in den Alltag integriert werden, um wirklich transformative Kraft zu entfalten. Ein Beispiel ist das Konzept der „zwei Wahrheiten“:


  • Relative Wahrheit: Das, was wir im täglichen Leben sehen und erleben.


  • Ultimative Wahrheit: Die Leerheit oder Abwesenheit von inhärenter Existenz.


Praktische Übung: In einer schwierigen Situation – etwa, wenn dich jemand kritisiert – frage dich: „Was zeigt mir diese Situation über die Samen, die ich in der Vergangenheit gesät habe?“


Kritik im Job


Geshe Michael erzählt von einem Schüler, der immer wieder von seinem Chef kritisiert wurde. Statt sich zu verteidigen, begann der Schüler, sich zu fragen, welche Handlungen in der Vergangenheit diese Erfahrungen ausgelöst hatten. Er entschied sich, bewusst mehr Lob zu verteilen und erlebte schließlich, wie sich die Beziehung zu seinem Chef verbesserte.

Beispiele aus dem Alltag

Familie: Dein Kind widerspricht dir ständig. Statt es zu bestrafen, fragst du dich, ob du selbst oft widersprochen hast. Diese Reflexion verändert eure Dynamik.


Partnerschaft: Dein Partner kritisiert dich oft. Du reflektierst, ob du selbst ähnliche Kritik geäußert hast, und sprichst stattdessen Lob aus.


Straßenverkehr: Ein Fahrer hupt und gestikuliert wütend. Du denkst: „Was kann ich jetzt säen, um in Zukunft weniger solche Situationen zu erleben?“


Umwelt: Du bist frustriert über die Verschmutzung deiner Umgebung. Doch dann fängst du an, selbst achtsamer mit Müll umzugehen und inspirierst andere.



Praktische Tipps zur Anwendung


  • Reflektiere deine Erfahrungen: Nimm dir am Ende des Tages Zeit, um Situationen zu reflektieren, die dir unangenehm waren. Frage dich: „Welche Samen habe ich gepflanzt, um diese Situation zu erleben?“


  • Bewusstes Handeln: Entscheide dich in stressigen Momenten bewusst für positive Taten. Statt zu schimpfen, lächle. Statt zu kritisieren, lobe.


  • Meditation auf die Abhängigkeit: Denke über ein Alltagsobjekt nach, z. B. einen Stuhl. Reflektiere, wie viele Bedingungen nötig waren, um ihn zu erschaffen: die Arbeiter, das Holz, die Werkzeuge. Erkenne die Abhängigkeit aller Dinge.


  • Arbeite mit deinem Umfeld: Erkenne in schwierigen Situationen mit anderen Menschen, dass diese nicht „von selbst“ so sind. Denke: „Was spiegelt mir diese Person über meine eigenen Samen wider?“


  • Trainiere Perspektivwechsel: In einem Streit oder Konflikt frage dich: „Wie würde diese Situation aussehen, wenn ich sie aus der Sicht der anderen Person betrachte?“


  • „Zwei Wahrheiten“-Übung: Übe, zwischen relativer Realität und Leerheit zu unterscheiden: Beobachte, wie du einen Tisch siehst, und stelle dir gleichzeitig vor, dass er aus deinem Geist kommt.


Schlussgedanken: Der Weg zu einem erfüllten Leben


Die Lehren von Je Tsongkapa und Pabongka Rinpoche zeigen uns, dass die Drei Hauptpfade – Entsagung, Bodhichitta und die korrekte Sicht der Leerheit – keine Theorien sind, sondern konkrete Werkzeuge, die wir in unserem Alltag anwenden können.


Mit der Praxis dieser Pfade können wir nicht nur unser eigenes Leben bereichern, sondern auch anderen helfen, ein tieferes Verständnis für Mitgefühl, Weisheit und die wahre Natur der Realität zu entwickeln. Sie sind eine Einladung, unser volles Potenzial zu entfalten und eine Welt des Friedens und der Verbundenheit zu schaffen.


„Die Praxis der Drei Hauptpfade ist wie ein Feuer: Entsagung ist der Brennstoff, Bodhichitta die Flamme, und Leerheit die Wärme, die alles durchdringt.“

 

Quellen zu diesem Artikel


Ein wunderbares, kostenfreies Online-Seminar gibt es beim Asian Classics Institute (ACI) in 10 Klassen von Geshe Michael Roach über Youtube zu sehen.


Eine weitere Quelle sind die lehrreichen Seminare von Lharampa Tenzin Kalden, der zu allen Grundlagen auf höchster Ebene und direkt aus der Quelle auf Deutsch unterrichten kann



Zusammenfassung der „Drei Hauptpfade“

1. Entsagung: „Ich bin es leid!“


Ziel: Freiheit von den Illusionen des äußeren Glücks


Wichtige Erkenntnis: Äußere Dinge können kein dauerhaftes Glück bringen.


Praktische Tipps:

  • Meditation über Vergänglichkeit

  • Minimalismus üben

  • Dankbarkeit für innere Qualitäten entwickeln


 

2. Bodhichitta: Der Wunsch nach Erleuchtung


Ziel: Mitgefühl und Liebe für alle Wesen entwickeln


Wichtige Erkenntnis: Unser persönliches Leiden ist Teil eines größeren Geflechts.


Praktische Tipps:


  • Tonglen-Meditation (Schmerz einatmen, Liebe ausatmen)

  • Mitgefühls-Ziele setzen

  • Dankbarkeit für die Beiträge anderer Lebewesen


 

3. Die korrekte Sicht der Leerheit: Alles hängt von dir ab


Ziel: Die wahre Natur der Realität erkennen


Wichtige Erkenntnis: Nichts existiert unabhängig; alles ist eine Reflexion unserer Samen.


Praktische Tipps:

  • Reflexion über eigene Samen in schwierigen Situationen

  • Meditation auf die Abhängigkeit aller Dinge

  • Perspektivwechsel in Konflikten üben


Die Drei Hauptpfade bieten eine klare Orientierung für ein bewusstes, erfülltes Leben. Sie sind der Schlüssel, um nicht nur unser eigenes Leiden zu überwinden, sondern auch die Welt um uns herum positiv zu gestalten.


 

Buchtipp zu diesem Text : The 3 Principal Paths


Ein Meisterwerk der buddhistischen Lehre


Die Lehren des Buddha Gautama, die vor über 2.000 Jahren in Indien begannen, erreichten ihren Höhepunkt im verborgenen Königreich Tibet – etwa fünf Jahrhunderte vor unserer Zeit. In dieser Ära des spirituellen Aufschwungs trat ein wahrhaft erleuchteter Lehrer hervor: Je Tsongkapa (1357–1419). Er revolutionierte das Verständnis des Buddhismus und inspirierte eine Bewegung, die fast eine Million Mönche und Nonnen in Tausenden von Klöstern umfasste.


Je Tsongkapas Vermächtnis


Tsongkapa, einer der größten Kommentatoren in der Geschichte des Buddhismus, schuf etwa 10.000 Seiten an präzisen und tiefgründigen Erklärungen der alten buddhistischen Texte. Doch sein wahres Genie zeigte sich in der Fähigkeit, die Essenz dieser Lehren in nur vierzehn Versen zu komprimieren. Dieses Werk, bekannt als die Drei Hauptpfade, verfasste er für einen seiner Schüler in einem entfernten Land.


Die Drei Hauptpfade: Ein Gedicht der Transformation


Die „Drei Hauptpfade“ – Entsagung, Bodhichitta und Weisheit – sind mehr als ein Gedicht. Sie sind ein Leitfaden, der uns den Weg zur inneren Freiheit und Erleuchtung weist. Jeder Vers birgt die Essenz des gesamten buddhistischen Pfades und lädt uns ein, unsere Denkweise zu transformieren und tiefes Mitgefühl sowie eine klare Sicht der Realität zu entwickeln.


Pabongka Rinpoche: Ein moderner Wegweiser


Die hier gezeigte Übersetzung enthält auch den Kommentar des hochverehrten Pabongka Rinpoche (1878–1941), einem der einflussreichsten buddhistischen Lehrer des letzten Jahrhunderts. Pabongka Rinpoche hat Tsongkapas Werk mit klaren Erklärungen und lebendigen Beispielen bereichert, die es Praktizierenden ermöglichen, die tiefen Einsichten der Lehren in ihr tägliches Leben zu integrieren.


Die Übersetzung


Die vorliegende Übersetzung wurde von Khen Rinpoche Geshe Lobsang Tharchin und Geshe Michael Roach angefertigt. Beide sind Meister, die die Weisheit alter tibetischer Traditionen bewahrten und sie für moderne Praktizierende zugänglich machten.


Das Symbol Tsongkapas


Das Titelbild zeigt eine Statue von Tsongkapa, bekannt als „Sieht aus wie ich“. Der Name stammt von Tsongkapas Kommentar bei der Enthüllung der Statue. Die Originalstatue stand einst im großen Jokhang-Tempel von Lhasa, Tibet, wurde jedoch zerstört.



Das Wochenend - Seminar im Kloster Buddhas Weg


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