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Mi Camino del Norte - Teil 1

Autorenbild: Sascha NachtnebelSascha Nachtnebel

Aktualisiert: 26. Juli 2024


Da es für meine Bilder und Videos jeden Tag ein paar Hundert Viewer und Nachfragen dazu gab, dachte ich mir, ich schreibe vielleicht doch einen kleinen Reisebericht dazu.


Und wenn auch nur einer von euch dadurch tatsächlich irgendwann auf den Camino startet, hat es sich ja schon gelohnt. Also - für alle Genießer meiner Bilder und Videos kommt hier mein Reisebericht zum Jakobsweg an der Nordküste Spaniens.


Alles Liebe,

Sascha



___


What a ride! Nach 150 Kilometern Asphalt-Traum(a) und unendlich vielen Eindrücken spuckt mich der Camino heute wieder in Bilbao aus - am sehr gut organisierten zentralen Busbahnhof, wo ich gleich in mein letztes Hostel einchecke. Vorher gibt es noch ein gesundes Mittagessen bei LA CAMELIA, einer wunderbaren Vegan-Bar inmitten Bilbaos. Hier schreibe ich die meisten dieser Zeilen.


Heute muss ich meine Beginner-Pilgerwanderung bereits nach einer Woche leider beenden, da der rechte Fuß nicht mehr kann. Auf den ersten 80 Kilometern hab ich mir mit den heißgeliebten VivoBarefoot Barfußschuhen, die ich überall sonst zum Wandern trage, einen nicht mehr ignorierbaren Schaden zugefügt. Zu den 2 Blasen am Fußballen kommt jetzt noch eine Sehnenscheidenentzündung hinzu, Asphalt ist eben einfach nicht mein Ding.



Das frühe Aus nach nur 150 km ist sehr schade für mich, denn alles war gut in Balance und es gab trotz hoher Luftfeuchtigkeit und Hitze keinerlei Probleme mit Kraft oder Kondition. Und auch die zahlreichen, unnötigen Zwischenfälle konnten meiner guten Laune und Motivation nichts abgewinnen. Sogar ein heilsamer, emotionaler Durchbruch war dabei. Naja,... schweren und leichten Herzens trete ich die Heimreise an, oh-kay... die Wandersaison ist ja noch nicht vorbei und die Gesundheit geht immer vor - Next try.


Die Zeit der Rückreise will ich sinnvoll nutzen, um auch ein paar meiner Learnings zu teilen, für alle, die ernsthaft mal eine Fernwanderung ausprobieren wollen. Für die Profis unter euch ist der nachfolgende Bericht eher Grundlage für unser nächstes Fachgesimpel :) und für alle anderen vielleicht ein kurzweiliger Lesestoff.



ZUSAMMENFASSUNG


EINDRÜCKE


Die Nordküste ist wunderschön, wenn man sie in ihrer rauhen Form dann endlich zu Gesicht bekommt. Die feuchte Meeresluft, die unfassbar schönen Ausblicke und Eindrücke, die herzlichen, hilfsbereiten Menschen, das leckere Essen, die gute Wasserversorgung, hervorragende Wegmarkierung, die einfachen Herbergen, das herrliche Wetter und die bodenständige Lebensenergie - alles in allem ein unvergessliches Erlebnis - An Draum.


Schon jetzt steht fest, dass ich weitergehen werde, wenn der Fuß wieder geht. El Camino hat mich mit seiner Nordküsten-Energie gepackt und ich verstehe meinen alten Freund Falk aus Heidelberg nun endlich viel besser, wenn er von seiner Heimat hier so begeistert schwärmt.



LAUFEN


Definitiv niemals in Barfußschuhen! Meine erste Wahl wären Trailrunning Schuhe von HOKA gewesen, die ich aus Platzspargründen leider vor der Reise wieder ausgepackt habe. Mit gut gedämpften Trail Schuhen kann der geübte Wanderer hier locker 25 Kilometer am Tag runterlaufen, ohne Probleme. Die Wege sind größtenteils sehr leicht zu gehen, es gibt nur ganz wenige Bergsteige und zu 90% schöner, harter und heißer Straßenbelag.


Wer keine Erfahrung mit dem Wandern hat, der kann sie hier problemlos machen. Alles ist einfach zu gehen, gute Hüttendichte, viel Wasserversorgung, gute Infrastruktur. Und wenn die Kondition oder die Herbergskapazität am Ende sein sollte, gibt es immer gute Alternativen in Laufnähe.


Für Anfänger sind die Etappen zwischen Bilbao und Santander auf jeden Fall geeignet. Alle Arten von Erfahrungen können hier gut aufgefangen werden und eine Woche Zeit reicht locker aus.



ORIENTIERUNG


Ich behaupte, dass man das ganze Ding auch ohne Navi oder Karten laufen kann. Noch nie habe ich so gut ausgeschilderte Wege gesehen und das liegt sicher auch an der Popularität. Ich habe dennoch die 'Buen Camino' App genutzt, zur groben Routenplanung. Wer es genauer geplant haben will, ist mit der Bergfex App besser dran. Mir hat die Kombi aus Wegmarkierungen und Buen Camino App gereicht.



UNTERKÜNFTE


Ich habe in 8 Tagen von Hotel (80 €) über Hostel (35 €), Kloster (10 €) bis einfachste Pilgerherberge (Spende) alles ausprobiert. Alles super, überall Hygiene, überall Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Strom, Wasser, Duschen, Kühlung, Internet, Handyempfang. Sehr gute Optionen, für jeden Geldbeutel, für jeden Geschmack.


Ich bin voll auf 'Risiko' oder besser: 'Vertrauen' gelaufen und habe nichts reserviert, nichts vorgeplant sondern einfach auf dem Weg entschieden, wo ich grob landen will. Es hat immer geklappt. Manche Herbergen kann man garnicht reservieren, die fand ich am besten, vielleicht, weil in der Ungewissheit auch ein wenig Abenteuer verborgen ist.




VERSORGUNG

Überall gibt es Trinkwasser! Wenn man nicht dran vorbeiläuft, gibt es überall genügend Auffüllstationen und Schattenplätze. Eines der wichtigsten Themen ist hier wunderbar gelöst worden. Das war auf dem Trockenmauerweg auf Mallorca genau das Gegenteil. Da gab es gefühlt genau eine öffentliche Wasserstelle auf 185 Kilometern. Hier ist es ca. eine pro Stunde.


Ich trage meine Flasche im Hüftgürtel und sie ist schnell zur Hand beim Trinken und schnell gefüllt an der Wasserstelle. Beides ist nicht zu unterschätzen, denn das ist deine tägliche Hauptbeschäftigung neben dem Wandern - besonders, wenn es so schwül und warm ist wie im Juli gerade.


Snacks wie Früchte und Proteinriegel, Nüsse etc. gibt es überall zu kaufen, in beinahe jedem Dorf ist ein kleiner Laden oder Supermarkt zum morgendlichen oder abendlichen Refill. Ich hab mich immer morgens direkt nach dem Loslaufen versorgt und auf den ersten 6 Kilometern Frühstück und Snacks für unterwegs besorgt.


Überrascht war ich von den sehr günstigen Preisen fürs Frühstück. Für nicht mal 10 Euro bekommt man zwei große Stücke Tortilla, zwei frischgepresste Orangensaft und 1 Tostada mit Tomate und Avocado plus zwei Kaffee. Auf einem Marktplatz in einer Touristenstadt. Für mich war das genau richtig und ich habe die ausnahmslos gute Versorgung durchweg sehr geschätzt.





Der folgende Abschnitt ist vermutlich nur interessant für dich, wenn du selbst gerne wanderst oder es vorhaben solltest. Der detaillierte Reisebericht und die Videos folgen weiter unten.

MEINE LEARNINGS


Immer noch zu viel Gepäck


Es tut mir schon fast weh, das zu schreiben, denn ich bin eigentlich wirklich effizient und habe schon im Vorfeld gaaaanz viel tolles Equipment zu Hause aussortiert. Doch ich hätte locker ein weiteres Drittel zu Hause lassen können, weil man es auf dem Camino del Norte wirklich-wirklich-wirklich nicht braucht. Dabei geht es nicht nur ums Gewicht, sondern auch um Platz im Rucksack - und im Kopf.


Es ist nicht nur anstrengend, das ganze Gewicht zu tragen, sondern auch alle sieben Sachen immer wieder zu finden und an ihren Platz zu verstauen. Das kostet Zeit und Nerven, wenn es zu große oder zu viele Dinge sind. Weniger Dinge bedeutet: mehr Ruhe im Kopf, mehr Kraft in den Beinen, mehr Reichweite, mehr Energie für Wahrnehmungen, mehr Genuss.


Super Erfahrung mit bewährtem Equipment


Ein 38+ Liter Rucksack reicht locker aus, um alle nötigen Dinge zu verstauen. Ich vertraue seit 20 Jahren auf Deuter, der AirContact+ ist perfekt für den Camino. Man könnte sogar noch eine Notration Wasser in einem Source-System darin unterbringen, vielleicht mit nur 1-2 Litern. Andere Hersteller haben auch leichte Rucksäcke, schaut euch um bei Globetrotter oder Engelhorn Sports. Geht zum Anprobieren am besten in den Laden wegen der Rückenlänge.



Unterwegs kann man die erfahrenen Pilger leicht an ihrem Rucksack erkennen und ich meine jetzt nicht die Jakobsweg-Muschel, die daran befestigt wird, sondern an der passenden Größe und dem geringen Gesamtgewicht. Okay, es gibt natürlich auch die Neckermann-Pilger, die sich das Gepäck von einem Service transportieren lassen, aber die haben meistens nur einen wirklich kleinen Tages-Rucksack dabei.


Ich bin mir ziemlich sicher, dass man es mit wenig Aufwand auf unter 8 kg Gepäck schaffen kann. Mehr muss eigentlich nicht sein und ihr versteht auch gleich, warum.


In meinem Rucksack findet  ein kleiner Hüttenschlafsack aus Mikrofaser Platz, sowie eine Decke/Kissen von Voited. Da es auf den Herbergen fast überall Kissen gibt und der Seidenschlafsack reicht, werde ich zukünftig im Sommer darauf verzichten und locker 2 Liter Volumen sparen. Im Herbst ist Voited sicher sinnvoll.



Außerdem habe ich wie immer gute Erfahrungen mit meiner Funktionskleidung gemacht. Die Vorteile sind klar, trotzdem erwähne ich sie nochmal


  • Kleines Gewicht

  • Kleines Packmaß

  • Gutes Körperklima

  • Trocknet schnell

  • Kaum Geruch

  • Hoher Tragekomfort


Vergesst einfach direkt Kleidung aus Baumwolle. Die wird nicht trocken bei der hohen Luftfeuchte und ist ungeeignet für diese Art von Wanderungen. Merino ist super, wers verträgt. Ansonsten Mikrofasern und so, kennste.


Die meisten Camino-Packlisten im Internet bestätigen meine eigenen Erfahrungen, das ist bei Fernwanderungen einfach üblich. Ich fasse mal schnell meine Liste zusammen und teile meine Lieblings-Marken (in Klammern) mit euch - weil ich nicht nur auf dem Camino, sondern seit vielen Jahren Fern- und Bergwandern gute Erfahrungen damit gemacht habe.


3 x Socken (Falke, je nach Saison. Für den Camino im Sommer 'TK2 Cool')

3 x Unterwäsche (Odlo, möglichst bundfrei)

3 x Shirt (Patagonia, Odlo)

1 x Softshell (Vaude)

1 x Regenjacke (Mammut, Adidas Terrex)

1 x Teilbare Lange Hose (Mammut, Vaude)

1 x Badehose (Under Armour Running)

1 x Handtuch (Sea to Summit Pocket Towel L-XL)

1 x Sonnenhut (Buff)

Für die Damen fehlen hier noch die BHs zum laufen und Schlafen, damit kenne ich mich zu wenig aus ;)


Mehr. Kleidung. braucht. man. nicht.

Bei Decathlon findet man das Ganze eine gute Nummer günstiger, dafür eben meistens nicht so nachhaltig und mir persönlich ist echte Nachhaltigkeit wichtig.


Auf meinem Camino im Juli war es jetzt so heiß, dass ich die ganze Zeit in Running(bade)hose gewandert bin. Ich hatte eine unnötige zweite dabei, die spare ich bei der nächsten Reise.


Wer jetzt noch was zum "abends schick ausgehen" mitnehmen will, der kann den freien Platz füllen. Ich hatte für die Anreise meine superleichte und dünne, schicke Hose von Alberto dabei.


Auf dem Camino ist schicke Kleidung eher unnötig, aber für An- und Abreise fand ich das Platz-Gewicht-Nutzen-Verhältnis (PGNV) echt ok. Das 'PGNV' hab ich grad erfunden :) hilft mir - und euch vielleicht auch - beim späteren Reduzieren der Packliste.


Man kann den freien Platz auch frei lassen und bei Bedarf fehlende Kleidung vor Ort kaufen, das geht auch gut, besonders in Bilbao oder Santander.


Die gesamte Klamotte packt man platzsparend in eine Mesh Bag, ich empfehle hier die Sea to Summit Ultra Sil Garment, andere Modelle tun es auch. Hauptsache die wiegen nichts, lüften deine Wäsche gut durch und sind stabil. Damit bleibt alles organisiert und man macht aus vielen Kleidungsstücken schnell einen einzigen Gegenstand - herrlich. Die nutze ich bei all meinen anderen Reisen auch immer, weil es einfach Sinn macht.


Die einzigen Items, die ich nicht in der Mesh Bag habe, sind Regenjacke und Softshell. Die verstaue ich in den Seitentaschen des Rucksack für schnellen Zugriff. Nur einmal benötigt, weil die ganze Zeit super Wetter war.


Ich wandere seit 2001 mit meiner Hüfttasche am Bauch, da ich dort schnellen Zugriff auf alles habe, ohne den Rucksack kompliziert abzusetzen. Mich wundert es ein wenig, dass die Hersteller so ein Ding noch nicht fürs Trekking anbieten, denn das ist jeden Tag so oft so unglaublich praktisch und beinahe jeder andere Pilger hat gesagt "Ah, gute Idee! Will ich auch."


Und wenn man den Rucksack im Flieger, Zug oder Bus in der Gepäckaufgabe lassen muss, hat man immer alles nötige dabei. Auch für kleine Trips in den Städten super, wenn man nicht alles mitschleppen will.


Meine Hüfttasche von The North Face (hier auf dem Bild aus 2001 am Watzmann) hatte heute nach 24 Jahren ihren letzten Einsatz (und wird nun gespendet) und ich teste als Nachfolger die Hip Packs von EVOC und die PULSE von Deuter.


Was kommt in die Hüfttasche?


Alles, was man schnell zur Hand haben will. Hier sind meine 'Must-Haves' und wieder mit Hersteller-Empfehlung (in Klammern)


Erste-Hilfe-Kit* (Vaude)

Geldbeutel (mit Apple AirTag)

Handy + Ladegerät (iPhone)

Kopfhörer (InEar Bose mit Noise Cancelling)

Powerbank (Anker)

Pilgerpass (Credencial del Peregrino)

Sonnencreme (DM , Testsieger)

Sonnenhut (Buff)

Sonnenbrille, (Oakley) Lesebrille, Kontaktlinsen

Vitamine, Minderalien**

Müsli-, Proteinriegel (Cliff, KoRo)

Äpfel, Bananen, Kaugummis, Nüsse

Trinkflasche*** (HUEL, optional Vaude Aquarius)

Multitool (z.B. Leatherman Signal)

Spork, Löffel, Gabel ('Light My Fire', Titan)

Zip Bags (Noaks)

Feuchte Tücher (DM)


*Erste-Hilfe-Kit: 10 Blasenpflaster, normale Pflaster, Kompressen, Verbände, Notfalldecke, Latexhandschuhe, Wundheilsalbe, Arnikasalbe)


**Vitamine, Mineralien: TÄGLICH min. 2 Gramm Omega 3 DHA/EPA, außerdem Vitamin B Komplex, Magnesium, Kalzium, Elektrolyt-Komplex, Vitamin D3/K2 4.000 IE


***Trinkflasche: Ich nutze die Shakerflasche von HUEL, da ich sowohl Wasser, als auch Proteinshakes oder Mikronährstoff-Shakes daraus trinken kann. Leicht und robust, gute Öffnung, leicht zu reinigen, Kappe als Tasse nutzbar, Flasche mit Gittereinsatz als Shaker nutzbar, Dreifacher Nutzen. Eine Trinkblase (Vaude) kann als Notfallwasser mit Trinkschlauch gerne in den Rucksack.


Optionale Ergänzung


Grüne Mutter (Alpha Foods)

Mit über 65 aktiven Zutaten (Mikronährstoffe) ist Grüne Mutter der ultimative nährstoffreiche Shake zur Unterstützung des Immunsystems, der Darmgesundheit und Energie. Trinke ich jeden Morgen seit vielen Jahren. Kommt in einer NOAKS Zip Bag mit auf Reisen.


Recovery (Alpha Foods)

Der "Vegan Muscle Recovery Berry" ist ein Post-Workout-Drink, der speziell formuliert wurde, um die Regeneration der Muskeln nach dem Training zu fördern. Er ist rein pflanzlich, eignet sich jedoch auch perfekt für Nicht-Veganer. Dieser vegane Erholungsdrink enthält essentielle Aminosäuren wie L-Leucin, L-Glutamin, L-Isoleucin, L-Valin, B-Vitamine und Mineralien aus natürlichen, pflanzlichen Quellen, die zur Unterstützung der Regeneration beitragen. Fördert die Regeneration und trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Erschöpfung bei.


Was man sich auf dem Camino del Norte sparen kann


Meine 'Pilgerfreunde' mit weit mehr Camino-Erfahrung konnten mir hier bestätigen, dass man auch auf den restlichen Etappen gerne auf ein paar Dinge verzichten kann.


ZUHAUSE LASSEN


Ich hatte meinen überragenden MSR Reactor Gaskocher inkl. Kartusche und 1,5 L Topf dabei - Für jeden Camper ein Traum weil so gut, so leicht und Packmaß 'ok'. Auf dem Camino völlig unnötig, da es überall Kaffee, Tapas Bars und Restaurants gibt. Man muss sich eigentlich nie etwas kochen. Ich hab tatsächlich 1 Kaffee gekocht und den noch nicht mal für mich.


Instant-Mahlzeiten (HUEL) - sonst immer hervorragend, auf dem Camino so unnötig wie der Kocher. Es gibt überall am Weg leckeres Essen, Obstläden, Supermärkte, Bars, Cafés...500 g unnötiges Gewicht, 1 Liter mehr Platz


Stirnlampe - die war in dieser Saison auch unnötig, da es lang hell ist. Man läuft nie im Dunkeln und in der Herberge reicht Smartwatch oder Handy. Für andere Touren empfehle ich die neue von PETZL.


Travel-Yogamatte - hat zu viel Platz und Gewicht eingenommen und oft beim Einräumen gestört. Ich habe mich für morgens QiGong entschieden und abends Yoga mit Handtuch geht auch. Wieder 2 Liter mehr Platz.


Ein iPad - klar, ist schon bequem, wenn man (wie ich jetzt) auf ner richtigen Tastatur tippen kann oder Filme, Bilder etc. editieren, Filme schauen auf der An- und Abreise. Das PGNV (Packmaß-Gewicht-Nutzen-Verhältnis) ist grottenschlecht, das Smartphone reicht wirklich völlig aus. Vielleicht hast du teure in-ear Kopfhörer, dann verpack sie gut oder lass sie zu Hause und nimm stattdessen ein günstiges Kabel-Headset mit. Ich hab sowohl meinen Lieblings-Kaffeebecher, als auch mein Headset-Case in den Bergen verloren, die sind einfach beim Kraxeln aus der leicht geöffneten Tasche gefallen. Blöd, ist ein teures Learning.


Ein zweites Handtuch, eine zweite Badehose, eine zweite Powerbank, ein zweites Ladekabel, ein zweites 'Irgendwas'. Wir denken immer 'sicher ist sicher' aber der Weg ist so gut erschlossen, dass man jeden Tag Abhilfe finden kann, wenn was schief geht. Jedes Pfund Gewicht sparen lohnt sich, daher einfach vertrauen, dass alles passen wird. Technik gibt es im FNAC in Bilbao oder MediaMarkt, alles andere im Corte Ingles.



Anreise per Flixbus - nie wieder. Ich wollte es ausprobieren, es macht weder aus Geld-, Zeit-, Komfort-, Spaß-, oder Umweltgründen Sinn. Ok, ich konnte mal wieder kurz nach Paris, aber da will man eigentlich gerade garnicht hin, weil wegen Olympia alles Baustelle ist. Die Nachtfahrt mit dem E-Bike war trotzdem schön.


Solange man einen echten CO2-Ausgleich für den Flug schaffen kann, sollte man einfach fliegen oder Bahnfahren, das spart wertvolle Wanderzeit und Nerven. Ich spende für jede meiner Urlaubsreisen großzügig an ein nachhaltiges Umweltprojekt.


Hier sind meine Top 5 Optionen für CO2-Offsetting nach Urlaubsreisen, die nachprüfbar nachhaltigen Ausgleich schaffen, zusammen mit den entsprechenden Webseiten:


1. Atmosfair

Atmosfair investiert in erneuerbare Energieprojekte weltweit, darunter Projekte zur Verbesserung der Energieeffizienz und Förderung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern. https://www.atmosfair.de


2. myclimate

Myclimate bietet Kompensationsprojekte in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Aufforstung. Die Projekte werden nach internationalen Standards wie Gold Standard und Plan Vivo zertifiziert. https://www.myclimate.org


3. Primaklima

Diese Organisation fokussiert sich auf Aufforstungs- und Waldschutzprojekte in Deutschland und weltweit, um langfristige CO2-Bindung zu fördern. https://www.primaklima.org


4. ClimatePartner

ClimatePartner arbeitet sowohl mit Unternehmen als auch mit Privatpersonen zusammen, um CO2-Emissionen durch verschiedene Projekte zu kompensieren, darunter auch Projekte für erneuerbare Energien und Waldschutz. https://www.climatepartner.com


5. Fokus Zukunft

Fokus Zukunft bietet eine Vielzahl von Projekten zur CO2-Kompensation, darunter Aufforstung und erneuerbare Energien. Ihre Projekte sind nach internationalen Standards zertifiziert. https://www.fokus-zukunft.com


Diese Organisationen sind für ihre Transparenz und die nachprüfbare nachhaltige Wirkung ihrer Projekte bekannt. Durch den Besuch ihrer Webseiten kannst du mehr über ihre spezifischen Projekte und die genauen Kompensationsmöglichkeiten erfahren. vielleicht fallen noch weitere Möglichkeiten ein, die Reise so CO2 freundlich wie möglich zu gestalten. du darfst die Liste gerne ergänzen. Die Absicht zählt!



 

REISEBERICHT


Etappe 1: Bilbao nach Pobeña (37 km tracked)


Die Reise beginnt für mich in der pulsierenden Stadt Bilbao, die für ihre einzigartige Mischung aus traditioneller und moderner Architektur bekannt ist. Der Ausgangspunkt ist die Kathedrale, wo ich ab 10 Uhr den Credencial del Peregrino abhole. Da ich mich zu Hause quasi garnicht auf die Reise vorbereitet habe, hab ich den auch nicht wie die meisten anderen schon Online bestellt. Ich fand das schön, ihn hier direkt abzuholen, kostet 2 Euro.




Danach gehts weiter zum ikonischen Guggenheim-Museum, dessen schimmernde Titanfassade das Licht der Morgensonne reflektiert. Den Blumenhund von Jeff Koons fand ich nicht so spannend, daher gibts davon auch keine Fotos :)


Ich durchquere die belebten Straßen der Stadt, vorbei an historischen Gebäuden und modernen Kunstwerken, und tauche ein in das lebendige Treiben Bilbaos. Es ist heiß, der Asphalt wirft die Hitze gnadenlos zurück, meine Füße kochen in den Wanderschuhen. Erste Zweifel an der Schuhauswahl kommen auf. Solche Experimente mache ich eigentlich nie...warum nur dieses Mal?


Sobald ich die Stadt hinter mir lasse, ändert sich die Szenerie schnell. Der Weg führt nach oben, an Industriegebieten vorbei, die langsam von grünen Hügeln und dichten Wäldern abgelöst werden. Der Kontrast zwischen der urbanen Hektik und der ländlichen Ruhe ist beeindruckend. Hier oben wohnen die ärmeren Bürger in kleinen Bungalowhütten, super nette Menschen. Eine Frau schenkt mir meine ersten 2 Bananen für den Weg. "Buen Camino"


Ich habe mich für den offiziellen Weg entschieden, auch wenn der viel länger und mit 1.000 Höhenmetern der mit dem größten Aufstieg in dieser Etappe ist. Doch ich will nicht am ersten Tag schon die Touristenvariante laufen.


Manche überbrücken diesen Teil sogar mit der Metro, was für mich noch viel weniger infrage kommt. Es gibt für viele Etappen unterschiedliche Varianten, die in der App gut sichtbar werden. Es empfiehlt sich jedoch, auch mal eine Strecke "schöner" zu laufen, zum Beispiel an der Küste entlang, anstatt "offiziell" an der lauten Landstraße. Deswegen ist man kein schlechterer Pilgerer ;)


Die Küste rückt näher und ich genieße die frische Meeresbrise, die den Weg säumt. Die kleinen Dörfer entlang des Weges strahlen eine ruhige Gelassenheit aus, die mich immer wieder innehalten und die Umgebung auf mich wirken lässt. Dieser Übergang von der Stadt zur Natur ist besonders eindrucksvoll und symbolisiert den Beginn der eigentlichen Pilgerreise.


Landschaft und Küstenblicke


Die Route bietet wunderschöne Aussichten auf das Meer und die umliegenden Hügel. Als Solo-Wanderer habe ich die Möglichkeit, in eigenem Tempo zu gehen und die friedliche Umgebung voll auszukosten.



Die ruhigen Pfade entlang der Küste bieten atemberaubende Ausblicke und viele Gelegenheiten, innezuhalten und die Schönheit der Natur zu genießen. Andere Pilger sehe ich keine dafür höre ich an jeder Ecke ein freundliches "Buen Camino", das jedes Mal ein Lächeln zaubert und ein wenig mehr Energie gibt.



Kleine Dörfer und lokale Begegnungen


Der Weg führt durch kleine, charmante Dörfer wie Portugalete und Santurtzi, wo man die lokale Kultur und Gastfreundschaft erleben kann. Diese Begegnungen sind besonders wertvoll, da sie die Möglichkeit bieten, mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen und mehr über das Leben in der Region zu erfahren. Da ich als Espresso-Lover hier im Eldorado gelandet bin und in wirklich jeder (!) Bar eine Profi-Maschine steht, klappt das sehr gut.



Der niemals endende, ultra-nervige Fahrradweg


Es gibt Dinge hier auf dem Camino, von denen ich glaube, dass sie ganz bewusst verschwiegen werden, um andere Pilger nicht davon abzuhalten ;) Dazu gehört der extrem langweilige und anstrengende Fahrradweg, der sich Richtung Küste schlängelt. Eine Endlosschleife für Wanderer und der erste und einzige fehlplatzierte Wegweiser. Ohne App wäre ich hier falsch abgebogen.


Hier ballert die Hitze am Nachmittag so extrem, dass ich mich zum ersten Mal über meine anständige Kondition und den Sonnenschutz freue. Die Einheimischen Rentner sind sehr nett und zeigen mir immer sofort, wo sich die teils versteckten Wasserspender befinden. Dafür höre ich mir sehr gerne einen Teil ihrer Lebensgeschichte an. Und wer viel trinkt, der muss viel Austreten. Das ist echt ganz schön nervig, wenn man gefühlt alle 500 Meter ein Gebüsch suchen muss.



Für Fahrradfahrer aller Art ist dieser Disneyland-Abschnitt natürlich der reinste Traum, und ich beneide jeden der vielen Rennradfahrer, die hier durch die Natur fliegen können. Die haben ja auch Fahrtwind :D Doch ich habe eine spezielle Geheimwaffe dabei: Metallica Sound übers Handy und seit 2 Stunden höre ich laut Musik, die mich bis ans Ende dieser unwirklichen Etappe trägt. Mit sehr guter Laune.


Ankunft in Pobeña


Das letzte Stück der Etappe führt nach Pobeña, einem kleinen Küstendorf mit malerischen Stränden und einer ruhigen Atmosphäre. Die Ankunft in Pobeña fühlt sich wie eine Belohnung nach einem Tag voller Eindrücke und körperlicher Anstrengung an. Der Strand von Pobeña ist ein perfekter Ort, um die Füße ins Meer zu tauchen und den Tag entspannt ausklingen zu lassen. Oder gleich mal komplett reinzuspringen.



Dumme Idee und gleich das nächste, harte Learning: zieh die Schuhe auf dem Camino niemals aus, wenn du sie wieder anziehen musst, schon garnicht nach 37 Kilometern Asphalthitze. Ich bin dann in Flipflops die letzten 20 Minuten zu Herberge und habe noch ein Notbett am Boden bekommen. Wenn man  unbedingt noch ins Meer springen will, ist das der Preis.



Die Herberge erhält keinerlei öffentliche Hilfe und wird daher rein auf Spendenbasis betrieben, so einfach ist sie auch. Der Herbergsvater hat "mood swings" und wohl vor meiner Ankunft schon mehrere Pilger abgewiesen. Ich hatte Glück ;) Die Nacht war ruhig und angenehm kühl. Bernhard aus der Schweiz hat seine leckeren Kirschen gegen meine alte Powerbank getauscht. Ich hatte ja eine zweite dabei, 'sicher ist sicher'...

All meine folgenden Videos sind hochkant gefilmt, da laut Analyse 90% von euch mit dem Handy anschauen.



 

Etappe 2: Pobeña nach Islares (27 km tracked)


Eine lange Holzbrücke führt mich aus dem Dorf hinaus und ich folge einem spektakulären Küstenpfad entlang der Steilküsten. Ein Camper packt gerade hastig sein Einmannzelt ein (freies Camping ist hier eigentlich nicht erlaubt). Wie gut, dass ich mein Bach PioPio zu Hause gelassen habe. Ein weiteres Kilo Gewicht und 2 Liter Platz gespart.


Die rauen Felsen und die tosenden Wellen des Atlantiks bieten ein beeindruckendes Naturschauspiel. Wow. Das ist also der Küstenweg. Unfassbar schön! Mein beflügelter Schritt lässt mich die beginnenden Schmerzen im rechten Fuß schönreden und ich hüpfe fröhlich an der Küste entlang. "DAS ist die Nordküste" denke ich und komme aus dem Grinsen nicht mehr raus.


Hier erlebt man die raue Schönheit des Atlantiks hautnah. Die Wellen brechen gegen die Felsen, und die frische Meeresbrise begleitet jeden Schritt und ich kann die Einsamkeit und die meditative Ruhe dieses Abschnitts besonders genießen.



Die Route führt durch grüne Hügel und Wälder, vorbei an kleinen, charmanten Dörfern wie Ontón und Kobaron. Und dann kommt der Straßen-Terror. Der Großteil dieser Etappe führt an Land- und Bundesstraßen entlang, es ist extrem laut und unschön, am Straßenrand liegen überall 2 Literflaschen "Truckerschorle" und der klassische Autobahnmüll.


Mit Wanderfreude hat das nichts mehr zu tun, aber das gehört zum Pilgern dazu, durfte ich lernen. Zum Glück habe ich InEar Kopfhörer dabei und mit Buena Vista Social Club auf den Ohren geht es sich wesentlich leichter.



Ich übertreibe jetzt nicht: eine günstige Alternative wäre, sich eine VR Brille mit virtuellem Meerblick aufzusetzen und dann auf dem Standstreifen der A5 Richtung Karlsruhe zu laufen. So ungefähr hat es sich angefühlt.


Auch wenn es anders aussieht auf den Bildern, diese Etappe ist mehr so der Tankstellen-Sangria unter den Rotweinen. Wenn man 25 km von so einer Sangria trinkt, erinnert man sich danach nicht mehr an die schlimmen Schmerzen und freut sich über die schönen Bilder, auch wenn sie täuschen. Ich bin total verwöhnt von Tirol. Anyway, gehört eben dazu.


Ankunft in Castro Urdiales – Ein Highlight auf dem Camino del Norte


Die Ankunft in Castro Urdiales ist ein unvergesslicher Moment auf dem Camino del Norte. Nach Stunden des Wanderns durch abwechslungsreiche Landschaften und entlang der atemberaubenden Autobahn-Küste taucht die charmante Stadt Castro Urdiales am Horizont auf. Die ersten Blicke auf die Stadt sind beeindruckend, mit der imposanten gotischen Kirche Santa María de la Asunción, die majestätisch über dem Hafen thront.



Beim Betreten der Stadt fällt sofort die mittelalterliche Architektur auf, die von einer reichen Geschichte zeugt. Die gepflasterten Straßen führen mich durch enge Gassen, vorbei an alten Steinhäusern und lebhaften Plätzen. Der Anblick des alten Leuchtturms, der über dem Meer wacht, verleiht der Stadt eine romantische Atmosphäre.


Der Hafen von Castro Urdiales ist ein lebendiger Ort, an dem Fischerboote sanft im Wasser schaukeln und die Fischer ihren täglichen Fang anlanden. Die Promenade lädt zu einem gemütlichen Spaziergang ein, und die vielen Cafés und Restaurants bieten die perfekte Gelegenheit, sich zu entspannen und die lokale Küche zu genießen.



In Spanien haben die Ferien begonnen und das Strandbad ist voller vergnügter Kinder. Frischer Fisch und Meeresfrüchte, begleitet von einem Glas lokalen Wein sind kulinarische Highlights, an die ich mich mit einem weinenden Auge sehr gerne erinnere. Für mich gibt es heute: lecker Wasser aus der Trinkflasche und Espresso.


Die freundlichen Einwohner von Castro Urdiales heißen Pilger sehr herzlich willkommen, und es ist leicht, ins Gespräch zu kommen und mehr über die Geschichte und Traditionen der Stadt zu erfahren. Die lebhafte, aber dennoch entspannte Atmosphäre macht es zu einem perfekten Ort, um nach einem langen Wandertag zur Ruhe zu kommen und die Erlebnisse des Tages Revue passieren zu lassen.



Castro Urdiales ist nicht nur ein wichtiger Halt auf dem Camino del Norte, sondern auch ein Ort, der durch seine Schönheit und Gastfreundschaft bleibende Eindrücke hinterlässt. Doch zum übernachten ist es mir zu touristisch und zu laut. Ich habe Pilgerluft geschnuppert und will lieber noch laufen und was nettes, kleines finden.


Doch vorher muss ich in eine der überall gut verfügbaren Apotheken, Arnikasalbe kaufen. Mein rechter Haxn tut jetzt richtig weh, wenn das keine Entzündung ist...



Ankunft in Islares


Das letzte Stück der Etappe führt nach Islares, einem kleinen, idyllischen Ort an der Küste. Herrlich, endlich mal kein Asphalt unter den Füßen, zumindest für 30 Minuten. Der Küstenweg in diesem letzten Abschnitt erinnert mich ein wenig an die Nordsee: frische Brise, viel Gras und kleine Häuser.


Die Ankunft auf dem Campingplatz in Islares ist ein wunderbarer Abschluss des Wandertages. Der kleine Hafen und die schönen Strände laden zum Ausruhen und Entspannen ein. Doch als ich meine Schuhe ausgezogen habe, merke ich, dass ich nicht mehr wirklich gut laufen kann. Das sind jetzt schon richtige Schmerzen.



Zwei Jungs auf dem Campingplatz imitieren zum Spaß meinen Glöckner-von-Notre-Dame Laufstil auf dem Weg zur Dusche und wir lachen uns kaputt. Innerlich weiß ich, dass der rechte Fuß dringend Erholung braucht.


Ich übernachte in einer winzigen Zweibett-Hütte mit einem Ultra-Schnarcher aus Italien, der sich wie ein gurgelndes Waschbecken anhört, nur eben in sehr laut. Wir unterhalten uns in einem Mix aus Spanisch und Italienisch und ich bin echt happy mit den Fortschritten meiner Sprachübungen auf Babbel und dem Unterricht auf Preply.


Mit viel Salbe auf den Beinen gehts in die erholsame Nacht.



 

Etappe 3: Islares nach Laredo (24 km tracked)


Am Morgen geht es immer gegen 7 Uhr los, die Beine fühlen sich 'erholt' an, aber nicht gut. Wird schon gehen, denke ich.


Die dritte Etappe führt mich von Islares nach Laredo und bietet eine Fülle an landschaftlichen Höhepunkten. Der Tag beginnt mit einem Spaziergang durch das ruhige Dorf, bevor der Weg entlang der Küste führt. Die Klippen bieten atemberaubende Ausblicke auf das Meer, und die Geräusche der Wellen sind eine ständige Begleitung. Genau so wie die Autos. Du kommst dir vor, wie wenn du auf der Straße über den Brenner läufst.



Die Landschaft wechselt zwischen Küstenpfaden, grünen Wiesen und dichten Wäldern. Kleine Dörfer und Gehöfte säumen den Weg, und ich genieße die Ruhe und Abgeschiedenheit dieser ländlichen Gebiete. Hier ist es wie zu Hause im Odenwald oder im Allgäu, nur die Luft ist schwerer. Und die Füße schmerzen.



Der Aufstieg zum Alto de Laredo ist konditionell anspruchsvoll bei der Hitze, aber die Aussicht von oben ist die Mühe wert. Die Ankunft in Laredo, einer lebhaften Küstenstadt, ist ein Höhepunkt der Etappe. Der breite Strand Playa de La Salvé und die belebte Promenade bieten viele Möglichkeiten zur Entspannung und Erholung.


Für mich die schönste Herberge und ein Ort der Gemeinschaft und Erholung: Die von Nonnen betriebene Pilgerherberge La Trinidad in Laredo ist ein besonderer Ort für alle, die den Camino del Norte begehen. Sie befindet sich in einem historischen Gebäude, das über die Jahre hinweg unzählige Pilger beherbergt hat. Die Ankunft in dieser Herberge nach einem langen Wandertag ist wie ein Ankommen in einer Oase der Ruhe und Gemeinschaft.



Historisches Ambiente und herzliche Gastfreundschaft


Beim Betreten der Herberge fällt sofort die warme und einladende Atmosphäre auf. Das historische Gebäude strahlt eine besondere Ruhe aus, die durch die einfache, liebevolle Einrichtung und die vielen kleinen Details noch verstärkt wird. Die Herberge bietet alles, was ein müder Pilger benötigt: saubere Schlafräume, gemütliche Aufenthaltsräume und gut ausgestattete Sanitäranlagen.


Die Gastgeber der Herberge sind bekannt für ihre herzliche Gastfreundschaft. Sie empfangen jeden Pilger mit einer kleinen Limo und einem freundlichen Lächeln und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Es ist diese menschliche Wärme, die den Aufenthalt in La Trinidad so besonders macht. Die Helfer der Gastgeber sind oft selbst erfahrene Pilger und teilen gerne ihre Geschichten und Tipps.



Gemeinschaft und Austausch


Die Herberge bietet nicht nur einen Ort zum Ausruhen, sondern auch die Möglichkeit, andere Pilger zu treffen und Erfahrungen auszutauschen. In den Aufenthaltsräumen und auf der Terrasse der Herberge entstehen schnell Gespräche und Freundschaften. Man teilt Erlebnisse, gibt sich gegenseitig Ratschläge und genießt gemeinsam die wohlverdienten Pausen.



Abends versammeln sich die Pilger zu einem gemeinsamen Essen, das in der Herberge angeboten wird. Diese Mahlzeiten sind nicht nur eine Gelegenheit, sich zu stärken, sondern auch ein Moment der Gemeinschaft und des Austauschs. Es wird viel gelacht, erzählt und diskutiert, während man regionale Spezialitäten genießt.


La Trinidad ist auch ein Ort der Besinnung und des spirituellen Innehaltens. Es gibt sogar ein Program dafür. Viele Pilger nutzen die Zeit hier, um in sich zu gehen, zu meditieren oder zu beten. Die ruhige und friedliche Umgebung der Herberge bietet den perfekten Rahmen dafür. In der kleinen Kapelle der Herberge finden regelmäßig Andachten und Gebete statt, an denen die Pilger teilnehmen und einen speziellen Pilgersegen empfangen können.



Die Suche nach neuen Schuhen


'Aus Gründen' fahre ich mit dem Bus in den nächsten Ort Kollindres und suche 2 Schuhgeschäfte auf, um mir Trailrunning- Schuhe zu kaufen, doch eines war wider Erwarten geschlossen und das andere hat leider keine Schuhe in meiner Größe. Immerhin war der Blick des Verkäufers ein Lachen wert, als er erfahren hat, dass meine Schuhgröße auch mein Alter widerspiegelt.



Wir saßen abends mit den Nonnen zusammen und haben gesungen und uns einander vorgestellt. Interessant fand ich die unterschiedlichen Gründe, warum die Menschen pilgern. Ein junger Italiener hat ein gebrochenes Herz wegen seines Partners, ein tschechischer LKW-Fahrer will durchs Wandern Gewicht verlieren, eine dänische Studentin ihre Freizeit vor der Master-Arbeit nutzen, ein Spanier aus Valencia bekämpft seine schweren Depressionen, eine Familie mit Kindern (9 und 11) wollen wie ich Wandern und Urlaub machen. Jetzt singen wir erstmal spanische Kirchenlieder, begleitet von Gitarre und Cajón - voll schön.


Die Nacht ist laut - in der Stadt ist ein großes Live-Konzert (immerhin mit einer sehr guten Dire Straits Cover Band) und wir haben 2 (!) laute Schnarcher auf dem Zimmer. Ich bekomme mein ganzes Schnarch-Karma zurück und muss grinsen beim Einschlafen. So ist das eben, wenn man jahrelang selbst laut geschnarcht hat.



 

Etappe 4: Laredo nach Güemes (32 km tracked)


Die vierte Etappe beginnt ohne Frühstück in Laredo und ich brauche jetzt wirklich dringend neue Schuhe. Auf den ersten 6 Kilometern entlang der Strandpromenade (mal wieder harter Straßenbelag) spüre ich, dass ich bald wirklich nicht mehr laufen kann. Ich ertrage echt viel, doch jetzt weiß ich, dass ich mit diesen Schuhen keine 20 km mehr schaffe heute.



Mein Weg führt über eine Fähre, die mich zusammen mit vielen anderen Pilgern über die Bucht von Santoña bringt. Die Überfahrt bietet spektakuläre Ausblicke auf die umliegende Landschaft und die Stadt Santoña. Schön ist, dass auch an solchen 'Sammelpunkten' wie der Fähre bewusst wird, dass man nicht alleine pilgert.



Neue Schlappen


Nach der Überquerung mit dem kleinen Boot geht es weiter auf die Suche nach Schuhen und ich werde fündig, in einem winzigen Geschäft mit einem sehr freundlichen und kräftigen Verkäufer, der mir in bestem Englisch für 42 Euro meine neuen Schlappen verkauft - von einer spanischen Marke (Jumo). Das Gefühl danach war unbeschreiblich und wir haben beide gelacht und abgeklatscht. Seit über 20 Jahren Bergwandern weiß ich, wie essenziell Schuhe sind. Heute spüre ich es nach langer Zeit auch mal wieder. Meine alten Wanderschuhe habe ich in Santaño gespendet. Möge der neue Besitzer viel Freude damit haben.


Nach einem reichhaltigen Frühstück am Marktplatz und einem Snack-Shopping kann's weiter gehen, entlang der Straßen und Strände, über einen kleinen Hügel mit Bergsteig-Geschnupper und wunderschönen Eindrücken. Schon wieder muss ich laut lachen. Gerade hab ich meine Wanderstiefel gegen Runnningschuhe getauscht und was kommt: ein Bergsteig. LOL.



Trotz vorsichtigem Klettern merke ich auch hier wieder, wie wichtig es ist, dass die Knöchel geschützt sind am Berg. Was gäbe ich jetzt für Bergschuhe, haha... so dumm. Doch das vorsichtige Klettern macht sich mit herrlichem Ausblick bezahlt und nach einem kurzen Auf und Abstieg lege ich eine wohlverdiente Badepause am Meer ein.


Baden im Meer


Ein weiteres Learning: mit offenen Blasen am Strand laufen und in Salzwasser schwimmen ist in mehrfacher Hinsicht ein unvergessliches Erlebnis, das ich so noch nicht kannte. Kann mich nicht erinnern, wann ich in Meeresnähe mal Blasen an den Füßen hatte. Jetzt werde ich das auf keinen Fall mehr vergessen :D


  1. Ja, es brennt wie'd Sau

  2. Sand kann sich auch in den Blasen am Fuß sammeln Nicht cool.


Die abwechslungsreiche Landschaft und die frische Meeresluft machen die weitere Wanderung besonders angenehm, auch bei sengender Hitze. Es geht über Dörfer, Felder, Brücken, Straßen und fühlt sich ein bisschen an wie in der Pfalz.



Auf der Online-Karte will das Ziel in Güemes einfach nicht näher rücken und was ich nach 4 Tagen nun sicher sagen kann: die letzte Stunde ist die Schlimmste. Die ersten 15 km sind easy, ab 20 km spürt man mal was und ab 25 km will man nicht mehr, zumindest nicht unter diesen Bedingungen (nur Straße, große Hitze). Bei mir werden es heute 32 km und ich ahne noch nicht, was da noch kommen wird.


Das Ziel dieser Etappe ist Güemes, ein kleines Dorf im Landesinneren. Hier befindet sich die bekannte Herberge "La Cabaña del Abuelo Peuto", die für ihre herzliche Gastfreundschaft bekannt ist.



Die Ankunft in dieser Herberge ist wie das Eintauchen in eine Oase der Ruhe und Erholung. Der Gastgeber Ernesto Bustio teilt inspirierende Geschichten und schafft eine warme, einladende Atmosphäre. Als ich am Abend eintreffe, hat er gerade mit der Begrüßung der Pilger in der Gruppe begonnen. Wunderbare Stories über die letzten 40 Jahre Jakobsweg auf der ganzen Welt, sogar in Japan.


Während ich da so sitze, spüre ich zum ersten Mal ganz intensiv, wie erschöpft ich eigentlich bin. Mein Körper meldet sich und sagt mir, er kann nicht mehr heute. Der Weg zur Dusche wird zur Herausforderung, ich falle völlig k.o. ins Bett. Draußen regnet es zum ersten Mal.



Emotionen und so.


An dieser Stelle möchte ich meine persönliche, emotionale Camino-Erfahrung mit euch teilen, weil ich glaube, dass es heilsam sein kann. Obwohl mein Körper mir schon seit 2 Tagen sagt, dass es genug ist, mache ich einfach weiter, weil mein Geist sagt „Das geht!“ und es ging ja auch wunderbar, trotz Schmerzen und Hindernissen.


Und dennoch habe ich ihn über seine Grenzen getrieben, meine Knie, Beine und Füße geschunden ohne zu wissen, dass das zu meinem ganz persönlichen Heilungsprozess gehören soll.


Der Camino hat mir Asphalt für meine Barfußschuhe gebracht, anstrengende Anreisemomente, hohe Berge, lange Umwege, kratzige Dornen und überall Sand, wo man ihn nicht will, selbst in den Blasen.


Die ganze Zeit fragte ich mich „Was soll das? Warum für mich so extra hart?“ Nach einer tiefen Meditation zur Erholung (die ich gerne mit euch teile) kam dann mein heftiger Durchbruch. Die Antwort: Weil ich erst an ans Ende meiner körperlichen Grenzen kommen musste, um keine Kraft mehr zur Abwehr zu haben und dann zu verstehen, dass ich auch innen ganz tief verletzt bin.


Der 47 Jahre alte, tief verwurzelte Baum, der so viele Stürme überstanden hat, der in seinem bisherigen Leben so viel ausgehalten und verarbeitet hat, trägt einen tiefen Bruch in seinem Kern. Tief deswegen, weil seine Liebe tief und bedingungslos war, vielleicht zum ersten Mal. Meine Trennung vor fast zwei Monaten 💔 kommt hoch, in voller Breite.


Der Bruch in der Beziehung kam so schnell, unerwartet und heftig, dass kein heilsamer Umgang damit möglich war. Wie ein Blitzschlag, der einen riesigen Ast abbricht und danach der Baum so tut, als wäre alles machbar, weil die Wurzeln noch da sind und er ja noch steht und Schatten spenden kann.


Natürlich hat der buddhistische Life Coach hier einen Haufen guter Ideen zur Selbstheilung, doch die kommen vom Geist und der ist ja die meiste Zeit verblendet.


Nachdem mein Körper also physisch am Ende war, konnte ich den Bruch nicht mehr ignorieren und die emotionale Wunde wird bewusst… das tiefe Holz wird sichtbar, verletzt und ungeschützt. In einer Berghütte voller netter, spanischer Pilger, die mir und meinen Emotionen liebevoll Raum geben.


Danke Camino. Ich bin am Verstehen 🧘🏼‍♂️🙏🏼🤗

Meine Wunden dürfen angenommen werden und Raum und Zeit zum Heilen bekommen.



 

Etappe 5: Güemes nach Santander (21 km tracked)


Deutlich erleichtert von schwerem Emotionsgepäck geht es zum gemeinsamen Frühstück und einem kurzen Austausch mit dem Abuelo. Danach entscheide ich mich, eine letzte Etappe zu laufen und dann in Santander meine Reise abzubrechen.


Die letzte Etappe führt von Güemes nach Santander und bietet eine Mischung aus ländlicher Idylle und urbanem Flair. Der Weg führt durch friedliche Felder und Wälder, bevor er entlang der wundervollen Küste weitergeht. Bilder sagen mehr als Worte, daher seht einfach selbst.


Die Überquerung der Bucht von Santander mit der Fähre ist nach den vielen Kilometern eine willkommene Art zu reisen. Die Überfahrt bietet einen wunderbaren Blick auf die Stadt und die umliegende Küstenlandschaft und kostet nur ein paar Euro.



Santander ist eine lebhafte Stadt mit reicher kultureller Geschichte. Nach der Ankunft wandere ich durch belebte Straßen, vorbei an beeindruckenden Bauwerken und schönen Plätzen. Der Paseo de Pereda, eine wunderschöne Uferpromenade, lädt zu einem gemütlichen Spaziergang ein. Die zahlreichen Cafés und Restaurants bieten Gelegenheit, die regionale Küche zu genießen und die Reise entspannt ausklingen zu lassen. Ich buche mir ein einfaches, aber schönes Hotel in der Altstadt und ruhe meine Beine aus, bevor ich mir die Stadt mit einem Abendspaziergang ansehe.


Es fühlt sich insgesamt nach viel mehr als nur einer Woche an, daher ist es okay für mich, hier einen Punkt zu machen und nach meiner Gesundung in ein paar Wochen wieder zurückzukehren. Nach einer ruhigen Nacht und einem ausgedehnten Frühstück pilgere ich noch ein wenig durch Santander, gönne mir den Luxus eines Waschautomaten für meine sieben Sachen und nehme dann den Bus zurück nach Bilbao (9 Euro, 1:20h) und schon beim Ankommen merke ich, dass ich mich hier echt wohl fühle. Wie Mannheim, nur mit mehr Bäumen und weniger Industrie.


Wie wunderbar war diese kurze Reise. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung.



Finalmente


Ich habe gelernt: Pilgern ist nicht Wandern und weniger ist mehr.


Der Weg bringt Antworten auf Fragen, die wir vielleicht noch nie gestellt haben. Für mich war diese einwöchige Fernwanderung eine große Bereicherung und ich weiß jetzt schon, dass ich den Weg komplett gehen will. Eigentlich wollte ich nach Madeira und jetzt bin ich froh, dass ich mich umentschieden habe.


Bald geht es weiter! Vielleicht mag mich jemand begleiten? Gerne im August oder September. Ausrüstung (außer Schuhe) kann ich komplett verleihen.



Ich möchte diesen Reisebericht mit einem Gedicht abschließen, das ich sehr ins Herz geschlossen habe und das mich in den letzten 2,5 Jahren in den schwierigen Momenten während meiner Beziehung gut beraten hat.


Energie darf bewegt werden und jeder entscheidet für sich selbst und sein eigenes Leben, in welcher Form das geschehen mag.


'Was mich bewegt'


Man muss den Dingen

die eigene, stille,

ungestörte Entwicklung lassen,

die tief von innen kommt,

und durch nichts gedrängt

oder beschleunigt werden kann;

alles ist Austragen –

und dann Gebären…

 

Reifen wie der Baum,

der seine Säfte nicht drängt

und getrost in den Stürmen

des Frühlings steht,

ohne Angst,

dass dahinter kein Sommer

kommen könnte.

Er kommt doch!

 

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,

die da sind,

als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,

so sorglos still und weit …

 

Man muss Geduld haben,

gegen das Ungelöste im Herzen,

und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,

wie verschlossene Stuben,

und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache

geschrieben sind.

 

Es handelt sich darum, alles zu leben.

Wenn man die Fragen lebt,

lebt man vielleicht allmählich,

ohne es zu merken,

eines fremden Tages in die Antwort hinein.

 

(Rainer Maria Rilke 1875-1926)



FAQ

Welche Kamera hast du benutzt?

iPhone 15 Pro Max


Wie hast du die Videos gemacht? Videoleap auf iPhone


Welche App hast empfiehlst du für Fernreisen?

Generell immer Google Maps zur Orientierung und Google Translate für Unterhaltungen mit Einheimischen. Google Lens funktioniert super bei Speisekarten, Verkehrsschildern, etc!

Bergfex für genaue Planung und Tracking von Touren.


Kann man diese Tour als Anfänger bedenkenlos machen?

Auf jeden Fall. Gut vorbereiten und Schuhe einlaufen.


Wie ist der Handyempfang?

Überall besser als in Deutschland, meistens 5G.


Wie sind die Hostel und Herbergen?

Sauber, effizient und das LATROUPE in Bilbao ist besser als 3 Sterne Hotels in Deutschland.


Gibt es Kriminalität?

Die gibt es überall, ich habe keine wahrgenommen und habe mich überall sehr sicher gefühlt.


Wie ist die gesundheitliche Versorgung?

Überall gibt es Apotheken und Ärzte.


Wann ist der beste Zeitpunkt zfür den Camino?

Jetzt.



 
 
 

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